Neue Entscheidungen für Anlagevermittlung und Anlageberatung


Mathias Nittel
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Tel.: 06221-43401-14

Eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen beschäftigte sich in jüngster Zeit mit den hohen Anforderungen an Anlagevermittlung und Anlageberatung. Zahllose Banken und Analgeberater wurden dazu verurteilt, an ihre Kunden Schadenersatz zu zahlen.

Grundsätzlich sind sowohl Anlagevermittler, als auch Anlageberater verpflichtet, den Anlageinteressenten über alle Umstände und Risiken, die für die Anlageentscheidung Bedeutung haben, richtig und vollständig zu informieren. Dabei kann es als Mittel der Aufklärung grundsätzlich genügen, wenn dem Interessenten ein Prospekt über die Kapitalanlage überreicht wird, sofern dieser nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln, und dem Interessenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben wird, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann. (BGH II ZR 140/03; BGH III ZR 302/07)


Hinweise auf Risiken

Werden die im Prospekt deutlich aufgeführten Risiken im Gespräch in einer die Hinweise abschwächenden und mildernden Form dargestellt und relativiert, kommt eine Haftung des Anlagevermittlers bzw. Anlageberaters in Betracht. (LG Münster, Urteil vom 17.02.2009, 15 O 353/08)

Eine Verletzung der Pflicht zur objekt- und anlegergerechten Beratung ist dann anzunehmen, wenn dem Anleger zur Frage des Risikos des Verlusts des angelegten Kapitals eine bestehende Schuldübernahme durch eine namhafte Bank so dargestellt wird, als würde die Bank die Rückzahlung der Einlage des Anlegers garantieren, während die Schuldübernahme nur gegenüber dem Fonds selbst besteht, nicht jedoch gegenüber den einzelnen Fondsgläubigern und Anlegern. (LG Wuppertal, Urteil vom 12.03.2009, 3 O 243/08 – VIP Medienfonds 4)


Plausibilitätsprüfung
Der Anlagevermittler muss das Anlagekonzept, bezüglich dessen er Auskunft erteilt, wenigstens auf Plausibilität, insbesondere wirtschaftliche Tragfähigkeit hin überprüfen. Ansonsten kann er keine sachgerechten Auskünfte erteilen. Unterlässt er diese Prüfung, muss der Anlagevermittler den Interessenten hierauf hinweisen. (BGH III ZR 413/04)

Die Plausibilitätsprüfung ist darauf gerichtet, den Prospekt jedenfalls darauf zu überprüfen, ob er ein in sich schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt gibt und ob die darin enthaltenen Informationen, soweit er das mit zumutbarem Aufwand zu überprüfen in der Lage ist, sachlich vollständig und richtig sind. (BGH III ZR 218/06).

Ist die Plausibilitätsprüfung des Prospekts unterblieben, hat der Anlagevermittler den Interessenten hierauf hinzuweisen. (BGH II ZR 230/07) Unterlässt der Vermittler diesen Hinweis auf die nicht vorgenommene Plausibilitätsprüfung, hat dies nicht automatisch eine Schadenersatzpflicht zur Folge. Der Schutzzweck der Prüfungs- beziehungsweise Offenbarungspflicht des Anlagevermittlers ist nicht betroffen, wenn der Prospekt einer Plausibilitätsprüfung in den für die Anlageentscheidung wesentlichen Punkten standgehalten hätte. (BGH XI ZR 89/07) Es kommt danach darauf an, ob eine (hypothetische) Untersuchung des Prospekts auf Plausibilität durch den Anlagevermittler Anlass zu Beanstandungen gegeben hätte. Dafür, dass er etwaige Mängel im Prospekt im Rahmen der Plausibilitätsprüfung nicht hätte erkennen müssen, ist der Anlagevermittler darlegungs- und beweisbelastet. (BGH III ZR 17/08)


„Plausibilitätsprüfung Plus“ beim Anlageberater
Bei einem Beratungsvertrag ist der Berater/die Bank zu mehr als nur zu einer Plausibilitätsprüfung verpflichtet. In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Dabei ist zwischen den allgemeinen Risiken wie Konjunkturlage, Entwicklung des Börsen- oder Fondsmarktes sowie den speziellen Risiken zu unterscheiden, die sich aus den individuellen Gegebenheiten des Anlageobjektes ergeben, wie beispielsweise Kurs-, Zins- und Währungsrisiko.

Für den Umfang der Beratung ist hier insbesondere von Bedeutung, ob die beratende Bank das Anlageobjekt in ein von ihr zusammengestelltes Anlageprogramm aufgenommen und sie dieses zur Grundlage ihrer Beratung gemacht hat. Jedenfalls die in ihr Anlageprogramm aufgenommenen Anlageprodukte muss sie einer eigenen Prüfung unterziehen, wobei sie sich bei dieser Prüfung auch Erfüllungsgehilfen bedienen kann, ohne dies dem Vertragspartner mitteilen zu müssen (z.B. Genossenschaftsverband). (BGH XI ZR 89/07)

Der Anlageinteressent darf davon ausgehen, dass seine ihn beratende Bank/der Berater, der er sich anvertraut, die von ihr in ihr Anlageprogramm aufgenommenen Kapitalanlagen mit (bank)üblichem kritischen Sachversand geprüft und selbst als "gut" befunden hat. (BGH XI ZR 89/07) Erweckt die Bank/der Berater den Eindruck, eine Kapitalanlage mit positivem Ergebnis geprüft zu haben, so hat sie den Anlageinteressenten auf alle bei ordnungsgemäßer banküblicher Überprüfung erkennbaren Risiken der Anlage hinzuweisen. (BGH XI ZR 242/91) Eine unterlassene Überprüfung kann aber nur dann zur Haftung der Bank/des Anlageberaters führen, wenn bei dieser Prüfung ein Risiko erkennbar geworden wäre, über das der Anleger hätte aufgeklärt werden müssen, oder wenn erkennbar geworden wäre, dass eine Empfehlung der Kapitalanlage nicht anleger- und/oder objektgerecht ist. (BGH XI ZR 12/93; III ZR 62/99; III ZR 413/04)


Darstellung der „weichen Kosten“ im Anlageprospekt
Die Informationen in einem Prospekt müssen nicht nur richtig, sondern auch klar und übersichtlich sein. Für den Anleger ist es von besonderer Bedeutung, dass er unmittelbar und in verständlicher Form einem Prospekt entnehmen kann, in welchem Umfang seine Beteiligung nicht in das Anlageobjekt fließt, sondern für Aufwendungen außerhalb der Anschaffungs- und Herstellungskosten verwandt wird, da ihm ansonsten ein wesentlicher Anhaltspunkt für die Bestimmung des materiellen Werts der Beteiligung in Abgrenzung zu den nicht wertbildenden, aber zu vergütenden Nebenleistungen fehlt.

In dem vom OLG Frankfurt entschiedenen Fall weist der Prospekt insoweit eine Besonderheit auf, indem er im Rahmen des Investitions- und Finanzierungsplans sich trotz des sehr großen Umfangs der Investitionen in drei verschiedene Bauprojekte auf sehr allgemeine Angaben in Form von Kostengruppen beschränkt. So heißt es unter „Projektkosten“: „Bau- und Baunebenkosten, Vermittlungs-, Garantie- und Planungsleistungen sowie Baubetreuung 182.970 TDM“. Nach Darstellung der Beklagten handelt es sich bei den „Projektkosten“ um die Zusammenstellung sämtlicher Anschaffungs- und Herstellungskosten. Die Garantiekosten würden die Gebühren für die Preissteigerungs-, Kosten- und Vertragsdurchführungs(Fertigstellungs-)garantie handeln, die den Herstellungskosten zuzurechnen sei. Die übrigen Kosten würden die „weichen Kosten“ darstellen. Aus dem Prospekt ergeben sich diese Erläuterungen nicht.

Diese Prospektdarstellung ist nicht ausreichend. Dem Anleger wird aus dem Investitionsplan nicht klar, um welche Vermittlungs- und Garantiekosten es denn im Einzelnen geht. Es wird ihm damit in weiten Bereichen nicht klar, wofür das Geld verwendet wird. Es ist dem Grund und der Höhe nach unklar, welche Vermittlungsleistungen anfallen, da Kosten der Finanzierungsvermittlung gesondert unter „Finanzierungskosten“ aufgeführt sind und Kosten von Garantieleistungen unter „Gesellschaftskosten“. Die Kosten einer Mietausfallgarantie können nicht zu den Baukosten gerechnet werden. Unter weiterer Berücksichtigung des hohen Umfangs der Gesamtinvestitionen und der Verteilung auf verschiedene Bauprojekte mit ganz unterschiedlicher Struktur und Kostenumfang und des somit besonders hohen Informationsbedarfs des Anlegers sah das OLG die Darstellung im Investitionsplan zumindest bezüglich der Vermittlungs- und Garantiekosten als intransparent und damit unzureichend an. (OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 13.05.2009, Az. 23 U 64/07)


Negative Presseberichterstattung
Die Frage nach der Aufklärung über negative Presseberichterstattung im Rahmen einer Anlageberatung hat der BGH mit zwei Entscheidungen nunmehr weitgehend geklärt. Mit seiner Entscheidung vom 07. Oktober 2008 (XI ZR 89/07) hat der BGH die weitestgehend uneinheitliche Rechtsprechung der Instanzgerichte zur so genannten „Pflichtlektüre“ für Anlageberater grundlegend geordnet.

Ein Anlageberater, der sich in Bezug auf eine bestimmte Anlageentscheidung als kompetent geriert, hat sich aktuelle Informationen über das Anlageobjekt zu verschaffen, das er empfehlen will. Dazu gehört auch die Auswertung vorhandener Veröffentlichungen in der Wirtschaftspresse. Anlageberater, die eine Vermögensanlage empfehlen, müssen regelmäßig die Börsenzeitung, die Financial Times Deutschland, die Frankfurter Allgemeine Zeitung und das Handelsblatt auswerten, nicht jedoch alle Wirtschaftsmedien. Dass in diesen Publikationen Produkte des „Grauen Kapitalmarkts“ regelmäßig nicht Gegenstand der Berichterstattung sind, ficht den BGH dabei offenkundig nicht an.

Eine Bank/ein Anlageberater ist danach nicht verpflichtet, sämtliche Publikationsorgane vorzuhalten, sondern kann selbst entscheiden, welche Auswahl sie trifft, solange sie nur über ausreichende Informationsquellen verfügt. Allein die Unkenntnis von einem Bericht in einem Brancheninformationsdienst, den die Bank nicht auswertet, stellt daher keine Pflichtverletzung dar. Hat die Bank allerdings Kenntnis von negativen Berichten in Publikationsorganen wie etwa Brancheninformationsdiensten, muss sie diese Berichte bei der Prüfung des Anlageobjekts berücksichtigen, insbesondere in Bezug auf konkret angesprochene Mängel und Risiken. Aus dem Inhalt des Berichts kann sich im Einzelfall ergeben, dass die Bank bei der Überprüfung des Anlageobjekts selbst auf das in dem kritischen Bericht genannte Risiko hätte aufmerksam werden müssen und aus diesem Grund dem Anleger eine Aufklärung schuldete. (BGH XI ZR 89/07)

Wenn ein Anleger sich aufgrund des Prospekts bzw. mündlicher Erläuterung dessen Inhalts im Rahmen der Anlageberatung ein sachgerechtes Bild von der Anlage machen kann, kommt einer Presseberichterstattung, bei der keine zusätzliche Sachinformation enthalten ist, sondern lediglich eine negative Bewertung der im Prospekt enthaltenen Tatsachen abgegeben wird und die sich in der Wirtschaftspresse allgemein noch nicht durchgesetzt hat, kein relevanter Informationswert zu. Solche Berichte sind nicht mitteilungspflichtig, weil ihr Inhalt nicht über das hinausgeht, was ohnehin in den Prospektunterlagen enthalten ist, die dem Anleger vom Berater bei der Erfüllung dessen Beratungspflichten übergeben wurden und dem Anleger eine hinreichende Information über Chancen und Risiken vermitteln. Nur wenn der Pressebericht konkrete und substanzielle Tatsachen enthält, die die Risiko-Chancenbeurteilung des Prospektes unrichtig erscheinen lassen, ist der Anlageberater verpflichtet auf solche Presseveröffentlichungen hinzuweisen. (BGH III ZR 302/07)

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