Aufklärung über Rückvergütungen und Innenprovisionen - ein rechtsicher begehbarer Weg oder undurchsichtiger Dschungel ?

Zwei Entscheidungen des OLG Frankfurt zu aufklärungspflichtigen Rückvergütungen und Innenprovisionen zeigen, dass eine letztendliche Klärung der Fragen über Kick-backs noch nicht vorliegt.

Zum einen ist der 23. Senat des OLG Frankfurt/Main in seiner Entscheidung vom 16.03.2011 (Az. 23 U 55/10) der Ansicht, dass zwar hinsichtlich der Offenbarungspflicht einer Bank ist zwischen Rückvergütung und Innenprovision zu unterscheiden sei, hierzu jedoch alle Fragen höchstrichterlich geklärt sind.

Aufklärungspflichtige Rückvergütungen werden nach Interpretation des 23. Senates des OLG Frankfurt/Main der BGH-Entscheidung des BGH vom 27.10.2009 definiert als Teile der Ausgabeaufschläge oder Verwaltungsgebühren, die der Kunde über die Bank an die Gesellschaft zahlt und die hinter seinem Rücken an die beratende Bank umsatzabhängig zurückfließen (BGH, Urteil vom 27.10.2009, z. XI ZR 338/08 Rz. 31, abgedruckt in BB 2010, 15 ff). Die hier getroffene Entscheidung nach Rückvergütungen und Innenprovisionen betraf einen Anleger, der einen geschlossenen Fonds in Form einer KG-Beteiligung erworben hatte. Es ging um die Frage, ob im Prospekt und/oder Beratungsgespräch hinreichend über Rückvergütungen und Innenprovision aufgeklärt worden ist.

Der 23. Senat OLG hatte in dem von ihm zu beurteilenden Sachverhalt in der Berufung zu entscheiden, ob ein Beratungsfehler gegeben war, weil die Bank den bei ihr bestehenden Interessenskonflikt im Rahmen eines Zertifikatsverkaufes wegen ihres Vergütungsinteresses nicht offen gelegt habe.
Das OLG bestätigte die Vorinstanz, die eine Verurteilung zum Schadensersatz ausgesprochen hatte. Die Bank habe beim Verkauf eines Lehman-Zertifikates im Wege des Eigenhandels – unstreitig – nicht auf die Höhe der Provisionen hingewiesen. Die Bank hatte Vertriebsvergütung in Höhe von 3,5 % zzgl. ggf. weiterer zu zahlender Folgeprovisionen erhalten.
Das OLG führt hierzu aus, dass eine Rückvergütung im Sinne der BGH-Rechtsprechung gegeben ist. Eine Rückvergütung liegt auf Basis des zitierten Urteils des BGH vom 27.10.2009 nach Ansicht des 23. Senates nur vor, wenn bei einem Zahlungsfluss im Drei-Personen-Verhältnis zwischen Anleger, beratender Bank und Emittent Gelder (aus den Ausgabeaufschlägen oder später aus den Verwaltungsgebühren) geflossen sind.

Es werde dort begrifflich vorausgesetzt, dass Ausgabeaufschlag und Verwaltungsgebühren zunächst zumindest teilweise an den Emittenten weitergegeben werden und danach ein Teil „hinter dem Rücken des Anlegers“ an das Finanzdienstleistungsinstitut zurückgezahlt werden.

Innenprovisionen, auch als Vertriebsprovisionen bezeichnet, sind demgegenüber Kostenbestandteile, die Verkäufer und Emittent nicht nur bei Kapitalanlagen, sondern auch bei sonstigen Produkten in den Preis bzw. das Nominalkapital für den Vertrieb einpreisen müssen (OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 16.03.2011 - 23 U 55/10 mit Hinweis auf Nobbe WUB IG 1.-5.10 S. 3). Der Grund für die Offenbarungspflicht von Rückvergütungen liegt in der dem Schmiergeld ähnlichen Funktion, auf Innenprovisionen trifft dies nicht zu. Die anfangs selten vorgenommene Differenzierung zwischen Rückvergütungen und Provisionen (vgl. Buck-Heeb, BKR 2010, 309, 311, Wiechers WM 2011, 145, 153) ist erforderlich, da eine Ausweitung der Aufklärungspflichten auf Handelsspannen und Gewinnmargen dem hiesigen Wirtschaftssystem widerspricht, für das das Gewinnstreben von Unternehmen, die Geheimhaltung von betrieblichen Kalkulationen und ein ungestörter Wettbewerb von Bedeutung sind (OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 16.03.2011 - 23 U 55/10 mit Hinweis auf OLG Frankfurt, BKR 2009, 378 ff).

Während der 23. Senat die Zulassung der Revision nach 543 II ZPO ablehnt, da seine Entscheidung auf der neueren Rechtsprechung des BGH beruht, geht der 17. Senat des OLG einen anderen Weg . Der 17.des OLG Frankfurt/Main, hatte in seinem Urteil vom 16.02.2011 (Az. 17 U 179/10) über eine Berufung zu entscheiden, in der der Kunde Schadensersatzansprüche wegen nicht erfolgter Aufklärung über Provisionen geltend machte. Dem lag der Kauf eines Wertpapiers, das einen Ausgabeaufschlag von 1 % aufwies, zu Grunde. Der Kunde machte – neben einer nicht anlagegerechten Beratung – geltend, dass die Bank für den Vertrieb 4,8 % - nach Vortrag der Beklagten 4,11 % - des Nennwertes für den Vertrieb erhalten hat, worüber er nicht aufgeklärt wurde.

Der 17. Senat thematisiert nicht dem Umstand, dass es ich bei den von dem Emittenten über den Ausgabeaufschlag hinaus gehenden Betrag nach der Rechtsprechung des BGH eben nicht um aufklärungspflichtige Rückvergütungen handelt. Der Geldfluss hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von 3,11 % des Nennwertes erfolgte hier eben nicht im Drei-personen-verhältnis. Eine Aufklärung über den Rückfluss des Ausgabeaufschlages erfolgte ebenso nicht.

Da die Bank weitaus mehr als die Ausgabeaufschläge erhalten hat, wäre ein Teil der an die beratende Bank geflossene Vergütung als Innenprovison und damit nicht aufklärungspflichtig anzusehen.

Der 17. Senat sieht sich hier auch nicht genötigt, eine Unterscheidung zu treffen, da er zutreffend die Regelungen des WpHG und die Richtlinie zur Konkretisierung der §§ 31 und 32 WpHG für das Kommissionsgeschäft, den Eigenhandel für andere und das Vermittlungsgeschäft der Wertpapierdienstleistungsunternehmen vom 23.08.2001 (BAnz. 2001, S. 19217 heranzieht.

Die Aufklärungspflichten der Bank richten sich nach Ansicht des 17. Senates – da die empfohlenen Wertpapiere unter den Wertpapierbegriff des WpHG fallen und die Beratung auch durch ein Wertpapierhandelsunternehmen im Sinne des § 2 WpHG erbracht wurde - nach den aufsichtsrechtlichen Bestimmungen des § 31 WpHG a.F. und § 31 d Abs. 1 Nr. 2 WpHG.
§ 31 d WpHG in der seit dem 01.11.2007 geltenden Fassung spricht von der Offenlegung der Zuwendung, die in umfassender, zutreffender und verständlicher Weise deutlich offen gelegt werden müssen. Zuwendung ist jeder geldwerter Vorteil, der in kausalem Zusammenhang für den Kauf gewährt wird.
Es macht also keinen Unterschied, welchen Weg das Geld nimmt, also ob der Kunde den Ausgabeaufschlag an den Emittenten zahlt und dieser dann eine Teil oder mehr an den Berater zurückfließen lässt oder ob andere Gelder vom Emittenten an den Berater fließen.

Auch für vor dem 01.11.2007 getätigte Wertpapierkäufe lässt der 17. Senat eine andere Wertung nicht zu, da eine aufsichtsrechtliche Pflicht zur Offenlegung eines derartigen Zuwendungen bereits in Abschnitt B Ziffer 1.2 der Richtlinie zur Konkretisierung der §§ 31 und 32 WpHG für das Kommissionsgeschäft, den Eigenhandel für andere und das Vermittlungsgeschäft der Wertpapierdienstleistungsunternehmen vom 23.08.2001 (BAnz. 2001, S. 19217) geregelt war.

So heißt es hier unter der Überschrift „Informationen über Kosten, Sicherheitsleistungen und Nutzungsbedingungen“:

„Auf vereinbarte Geldzahlungen oder andere geldwerte Vorteile (z.B. Research-Ergebnisse etc.), die das Wertpapierdienstleistungsunternehmen etwa im Rahmen seiner Vermittlungstätigkeit, mittelbar oder unmittelbar erhält und die wirtschaftlich im Zusammenhang mit Kundengeschäften stehen, hat das Wertpapierdienstleistungsunternehmen den Kunden zumindest in allgemeiner Form hinzuweisen und diese auf Nachfrage zu erläutern.“

Diese Richtlinie wurde mit Schreiben vom Schreiben vom 23.10.2007 der BaFin Infolge der Änderung des WpHG durch das Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG) aufgehoben, da mit dem FRUG die Aufklärungspflichten ins WpHG übernommen wurden.

Auch hier wird nicht von Rückvergütungen aus den Ausgabeaufschlägen oder Innenprovisionen gesprochen, sondern allgemein von vereinbarten Geldzahlungen und anderen geldwerten Vorteilen.

Dennoch hat der 17. Senat hier die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision als gegeben angesehen, da hinsichtlich der Aufklärungspflicht bezüglich der Rückvergütung und der Abgrenzung zur nicht aufklärungsbedürftigen Innenprovision von den Instanzgerichten unterschiedliche Interpretationen vorliegen und noch keine höchstrichterliche Klärung herbeigeführt sei.


Fazit:
Es bleibt abzuwarten, wie der BGH sich bei einer erneuten Entscheidung zu der Frage einlässt. Allein der Wortlaut des WpHG müsste den BGH dazu tendieren lassen, keine Unterscheidung mehr zwischen aufklärungspflichtigen Rückvergütungen und Innenprovisionen (sofern sie die Grenze von 15 % nicht übersteigen) aufzugeben.

Dies kann natürlich nur für Sachverhalte gelten, auf die das WpHG in seiner Fassung ab dem 27.11.2007 anwendbar ist.

Auch der Wille des Gesetzgebers sollte dem BGH Anlass geben, eine verbraucherfreundliche Entscheidung zu treffen. Der Gesetzgeber hat – betrachtet man die Änderungshistorie des WpHG – immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass er eine größere Transparenz bei der Provisionszahlung zwischen Emittent und Berater wünscht. Letztes Beispiel hierfür ist die ersatzlose Streichung des seit dem 1. November 2007 geltenden § 31d Absatz IV WpHG zum 8. April 2011, der eine Vermutung dafür enthielt, dass die Zuwendung im Zusammenhang mit der Anlageberatung (§ 2 Absatz III Satz 1 Nr. 9 WpHG) darauf ausgelegt ist, die Qualität der für den Kunden zu erbringenden Dienstleistung zu verbessern. Folge war, dass eine solche Zuwendung zulässig war, wenn sie dem Interesse des Kunden nicht entgegen stand.

Weiter zu berücksichtigen dürfte sein, dass es in der vom 23. Senat des OLG Frankfurt herangezogenen Entscheidung des BGH vom 27.10.2009 (Az. XI ZR 338/08) um einen Sachverhalt ging, in der die Aufklärung um Rückvergütungen und Innenprovisionen bei einer Beteiligung an einer KG zu beurteilen war. Für solche Beteiligungen ist das WpHG jedoch bislang nicht anwendbar.

ansprechpartner_nittel3
Mathias Nittel, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
info@nittel.co

www.nittel.co

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