Sonntag, 14. September 2008

Beratungsfehler oder bloße „werbende Anpreisung“ - Anmerkung zu BGH Urteil vom 19. Juni 2008 – III ZR 159/07

Immer wieder haben sich Gerichte mit der Frage zu beschäftigen, ob Aussagen im Rahmen eines Gesprächs zur Anlageberatung oder Anlagevermittlung als Verletzung von Aufklärungspflichten anzusehen ist und damit Schadenersatzansprüche nach sich zieht, oder nicht.

So verneinte der für Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des BGH (Urteil vom 19. September 2006, XI ZR 204/04) bei den fälschlich Angaben des Vermittlers, es handele sich um eine risikolose Immobilie, die ihren Wert nicht nur erhalte, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit sogar noch steigere, deren Verkauf nach ca. 5 bis 10 Jahren aufgrund der üblichen Wertentwicklung verlustfrei möglich sei und bezüglich derer bis auf einen monatlichen Geringst-Betrag die Kosten des Erwerbs der hervorragend zur Altersvorsorge und zum Steuersparen geeigneten Wohnung durch Mieteinnahmen und Steuervorteile aufgefangen würden, die Einstufung als Aufklärungsfehler. Nach Ansicht des Senats handele es sich bei diesen Aussagen des Vermittlers lediglich um subjektive Werturteile und unverbindliche Anpreisungen, nicht aber um eine Täuschung durch unrichtige Angaben zu dem Anlageobjekt. Die Aussagen hätten ersichtlich werbenden Charakter.

Auch die Darstellung einer Fondsbeteiligung als sichere Anlageform, die sich problemlos fremdfinanzieren lasse, genügt in den Augen des XI. Zivilsenats nicht für die Darlegung einer arglistigen Täuschung, da es sich hierbei um eine bloße Anpreisung handele, und in dem übergebenen Prospekt die Risiken einer Beteiligung in verständlicher Form dargestellt sind. (BGH Urteil vom 19. Juni 2007 – XI ZR 142/05; Urteil vom 11. März 2008, XI ZR 68/07).

Ganz anders sieht dies der für Schadenersatzansprüche wegen Aufklärungspflichtverletzungen im Zusammenhang mit Anlagevermittlung oder Anlageberatung zuständige III. Zivilsenat des BGH in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 19. Juni 2008 – III ZR 159/07). Anlageberatung wie Anlagevermittlung verpflichteten zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung seien. Eine derartige Aufklärung könne zwar auch durch Übergabe von Prospektmaterial erfolgen, sofern der Prospekt nach Form und Inhalt geeignet sei, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln und er dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben werde, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden könne. Der Umstand, dass ein solcher Prospekt Chancen und Risiken der Kapitalanlage hinreichend verdeutliche, sei jedoch kein Freibrief für den Berater oder Vermittler, Risiken abweichend hiervon darzustellen und mit seinen Erklärungen ein Bild zu zeichnen, das die Hinweise im Prospekt entwerte oder für die Entscheidung des Anlegers mindere. Dies gelte auch dann, wenn sich bei ausreichenden rechtlichen und geschäftlichen Kenntnissen, die bei unerfahrenen Anlegern jedoch nicht vorausgesetzt werden könnten, Zweifel an der Richtigkeit der Aussage aufdrängen müssten.

Nach diesen Maßstäben wäre es verfehlt, die behaupteten Erklärungen der Beklagten über eine absolute Sicherheit der Anlage unter Hinweis auf den Prospektinhalt als bloße Anpreisungen herunterzuspielen. Mit einer solchen, unstreitig unrichtigen Aussage hätte der Vermittler vielmehr seine Aufklärungspflichten verletzt und sich dem Anlageinteressenten gegenüber schadensersatzpflichtig gemacht. Für einen Ursachenzusammenhang zwischen diesem Fehlverhalten und der Anlageentscheidung spräche eine durch die Lebenserfahrung begründete Vermutung.

Für die Praxis ist angesichts dieser höchst widersprüchlichen Rechtsprechung sowohl bei der Anlagevermittlung, als auch bei der Anlageberatung höchste Vorsicht geboten. Alle Aussagen und Darstellungen, die bestehende und im Prospekt genannte Risiken relativieren oder geeignet sind, Renditeaussichten oder Anlagesicherheit vorzuspielen oder als Aussagen in dieser Richtung verstanden werden können, sollten unterbleiben.

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