Donnerstag, 11. September 2008

VIP Medienfonds 4 – Vertreibende Bank hätte über Hintergründe der „bankgarantierten Absicherung von 115 % des Kommanditkapitals“ aufklären müssen.

Welch hohe Risiken Kreditinstitute beim Vertrieb geschlossener Fonds eingehen, zeigt eine Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichts München. Auch wenn es sich aus prozessrechtlichen Gründen noch nicht um eine endgültige Entscheidung im Schadenersatzprozess eines Anlegers gegen die die Beteiligung am VIP Medienfonds 4 vertreibende Bank darstellt, hat das OLG mit seinem Urteil seine Auffassung im Hinblick auf den erforderlichen Umfang der Beratung des Anlegers bezüglich dieses Fonds verdeutlicht. Gleichzeitig hat die Entscheidung grundsätzliche Bedeutung bezüglich der Frage der Aufklärung von Anlegern über Fonds mit Garantien.

Selbst wenn die Bank lediglich als Vermittler mit dem Vertrieb der Fondsanteile befasst gewesen wäre, hätten ihr als Kapitalanlagevermittlerin die Pflicht oblegen, das Fondskonzept auf Plausibilität, insbesondere auf wirtschaftliche Tragfähigkeit hin zu überprüfen. Eine solche Plausibilitätsprüfung, die sich insbesondere mit dem herausgegebenen Vertriebsprospekt zu befassen habe, könne nicht durch den Verweis auf einen positiven Prüfbericht einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ersetzt werden.

Zu einer kritischen Hinterfragung des Anlagekonzepts hätte nach Ansicht des Senats allerdings insbesondere hinsichtlich zweier Punkte Veranlassung bestanden:

Eine tragende Stütze des Anlagenkonzepts des war die „Absicherung von mindestens 115 % des Kommanditkapitals ohne Agio mittels Schuldübernahme durch die Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG“. Diese „Schuldübernahmeverträge“ werden auf Seiten 90/91 des Prospekts näher behandelt. Der wirtschaftliche Hintergrund dieser Schuldübernahme bzw. Garantie wird dort nach Ansicht des OLG allerdings nicht verdeutlicht, soweit es dort heißt: „… unter der Voraussetzung der Einzahlung eines Entgeltes durch den Lizenznehmer …“. Denn diese Formulierung lasse insbesondere im Dunkeln, mit welchen Mitteln die Garantieerklärung der Bank unterlegt werden soll. Für den Anleger blieb dabei insbesondere im Verborgenen, dass der als Garantiegeber fungierenden Bank über ein verschachteltes System letztlich 69,76 % des Kommanditkapitals der Fondsgesellschaft zuflossen, die bei einer Verzinsung von gut 5 % p.a. über die Laufzeit des Fonds zu dem von der Bank garantierten Betrag von 115 % des Kommanditkapitals führen sollten.

Darüber hinaus erachtete das OLG es als unstimmig, wenn einerseits auf der Titelseite des Fondsprospekts das Anlagemodell als „Garantiefonds“ bezeichnet wird und sodann auf Seite 83 des Prospekts zum Stichwort „Einkommensteuer, Einkünfte aus Gewerbebetrieb“ lapidar festgestellt wird: „Die Mitunternehmereigenschaft des Investors ist sichergestellt, wenn er sowohl Mitunternehmerinitiative entfalten kann, wie auch Mitunternehmerrisiko trägt. … Mitunternehmerrisiko ist gegeben, wenn der Anleger am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven und dem Firmenwert der Gesellschaft beteiligt ist. Beide Kriterien können im vorliegenden Beteiligungsangebot als erfüllt angesehen werden.“

Da echte Garantiefonds in die Nähe des Einlagen- bzw. Versicherungsgeschäfts mit einer besonderen Eigenkapitalunterlegung rücken, bedürfe es näherer Betrachtung und entsprechender Darlegungen im Rahmen der Plausibilitätsprüfung und des Beratungsgesprächs, weshalb der Kommanditist im steuerrechtlichen Sinn unternehmerisches Risiko tragen soll, obwohl 115 % des Kommanditkapitals ohne Agio durch Schuldübernahme bzw. Garantie einer Großbank abgesichert seien. Dies gelte unabhängig davon, ob der Auszahlungsanspruch des Gesellschafters direkt oder nur mittelbar über eine Garantie für den Bestand des Kommanditkapitals gesichert sei. Denn nur bei einer steuerlichen Anerkennung der Mitunternehmereigenschaft sei das prospektierte steuerliche Ergebnis gewährleistet.

Hinzu komme, dass bereits einige Monate vor dem Beitritt des Anlegers in der Fachpresse die steuerliche Tragfähigkeit des Konzepts der VIP Medienfonds 3 und 4 nicht nur angezweifelt, sondern ernsthaft in Frage gestellt worden seien. Unter Bezugnahme auf den Umstand, dass kurz zuvor das Finanzamt München die steuerliche Verlustzuweisung für den Fonds Mediastream IV aberkannt habe, weil die Anleger kein unternehmerisches Risiko getragen hätten, werde in Bezug auf die VIP Medienfonds 3 und 4 und deren Garantiestruktur die Mitunternehmerschaft der Anleger in Zweifel gezogen.

Für die maßgeblich in den Vertrieb des VIP Medienfonds 4 einbezogene Bank hätte vor diesem Hintergrund Anlass zu näherer Darlegung bestanden, weshalb und inwieweit die künftigen Gesellschafter trotz der Absicherung des Gesellschaftskapitals einem Unternehmerrisiko ausgesetzt sein sollen. Da das Konzept auf diesen Widerspruch hin nicht vertiefend betrachtet und eine die geforderte Darlegung regelmäßig nicht erfolgte, droht der Vertrieb des VIP Medienfonds 4 für diese Bank zu einem Großschadensfall zu werden.

Für den Vertrieb von geschlossenen Fonds und die dabei auch bei der reinen Vermittlung von Beteiligungen geforderte Plausibilitätsprüfung definiert die Entscheidung neue, weit reichende Anforderungen.


OLG München, Urteil vom 18.12.2007 - Az. 5 U 3700/07

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