Montag, 17. November 2008

Ein Anlagevermittler darf einem stark verschuldeten Anleger keine riskante Anlage empfehlen

Immobilien als Kapitalanlagen werden gerade in Zeiten erheblicher Turbulenzen an den Kapitalmärkten verstärkt als attraktive und vermeintlich sichere Anlage empfohlen. Einen beinahe „klassischen“ Fall hatte nun das Landgericht München I zu entscheiden.
Die Klägerin und ihr Ehemann waren beide in Anlagedingen unerfahren und hoch verschuldet. Aus den Krediten hatten sie eine monatliche Ratenbelastung von über 1.400,– Euro zu tragen. Im Jahr 1999 wurden sie von einem Anlagevermittler angesprochen, der ihnen als Steuersparmodel und zur Altersvorsorge den Erwerb von zwei Eigentumswohnungen zu einem zu 100 % durch Kreditaufnahme zu finanzierenden Kaufpreis von mehr als 300.000 DM empfahl. Er erklärte ihnen, dass sie bei Erwerb der streitgegenständlichen Wohnungen aufgrund der starken Wertsteigerungen beträchtliche Gewinne sowie unbegrenzt garantierte Mieteinkünfte von 1.161 DM erzielen würden. Die Kapitalanlage würde sich weitgehend aus den Mieteinnahmen selbst tragen. Die Klägerin und ihr Mann müssten aus dem eigenen Vermögen fast nichts zuschießen. Nach der von ihm erstellten Beispielrechnung seien Zuzahlungsbeiträge in Höhe von lediglich 1.609 DM pro Jahr zu erwarten. Die Immobilie jederzeit wieder gewinnbringend verkauft werden. Ein Verlust sei dabei ausgeschlossen. Die Klägerin und ihr Ehemann veräußerten die Wohnungen zwischenzeitlich zu einem Preis von 39 500,– EUR und 32 500,– EUR. Der durch das Immobiliengeschäft verursachte Gesamtschaden beläuft sich auf 134 845,89 EUR.

Das Landgericht stellte Pflichtverletzungen des Anlagevermittlers in zwei Punkten fest und verurteilte ihn zu Schadenersatz.

Ein Anlagevermittler sei im Rahmen seiner vertraglichen Auskunftspflichten zur wahrheitsgemäßen, richtigen und vollständigen Information der Anleger über diejenigen tatsächlichen Umstände verpflichtet, die für den Anlageentschluss des Kunden von besonderer Bedeutung sind. Diese Verpflichtung habe der Beklagte verletzt. Unstreitig erklärte er, dass die Klägerin und ihr Ehemann aufgrund der starken Wertsteigerung beträchtliche Gewinne sowie garantierte Mieteinkünfte erzielen würden. Die Kapitalanlage würde sich weitgehend aus den Mieteinnahmen selbst tragen. Die Klägerin und ihr Mann müssten aus dem eigenen Vermögen fast nichts zuschießen. Laut Beispielsrechnung wären Zuzahlungen in Höhe von 1 609,– DM pro Jahr zu leisten. In jedem Fall könne die Immobilie jederzeit wieder gewinnbringend verkauft werden. Ein Verlust sei dabei ausgeschlossen. Diese Angaben seien nach den Feststellungen des Landgerichts unzweifelhaft falsch. Ein Verlust sei keineswegs ausgeschlossen gewesen. Vielmehr sei die Frage eines Gewinns oder eines Verlustes von der Wertentwicklung der Immobilie und der Frage der Vermietbarkeit und der Veräußerbarkeit abhängig gewesen.

Pflichtwidrig sei die gegenständliche Anlagevermittlung auch deshalb gewesen, weil der Anlagevermittler nach seinen eigenen Angaben die gegenständliche Immobilie auch im Hinblick auf die hohe Verschuldung der Klägerin und ihres Mannes sowie die erhebliche, monatliche Ratenbelastung empfohlen habe. Bei einer bereits bestehenden, hohen Schuldenlast stelle sich die Übernahme eines zusätzlichen, mit weiteren Verbindlichkeiten verbundenen Risikos als grob unvernünftig sowie wirtschaftlich und rechtlich unvertretbar dar. So etwas dürfe einem Verbraucher keinesfalls empfohlen werden.

LG München I, Urteil vom 16.04.2008, Az. 23 O 1239/08

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